Insel für einen virtuellen Luhmann-Lesekreis

Mittwoch, 10. Februar 2010

Körper, Essen und Sinnsysteme

Hier nun der überfällige Post dazu, wie der Körper und die Theorie selbstreferentieller Systeme mit der Theorie Luhmanns zu verbinden wären.

Offenbar hatte Luhmann bedenken, den Menschen in das System hineinzudenken, da die Differenzierungstheorie zu einer "Theorie der Verteilung von Menschen"(S.29) pervertieren würde. Luhmann verschob biologische Systeme und das psychische System hinter die Grenzen der Gesellschaft und konsternierte dies mit der "Selbstreproduktion der Kommunikation"(S.13).

Wenn man nun mit dem Begriff "Körper"als System arbeiten möchte, steht man vielleicht vor dem Problem der Autopoiesis oder der Selbstreferenz der Systeme.

Seltsam erscheint, dass wir bei dem System "Bewusstsein" überhaupt keine Mühe haben dieses Problem zu lösen.

Ideen?

7 Kommentare:

Gerrit hat gesagt…

War das nicht auch Luhmann, der irgendwo gechrieben hat: Wenn die Gesellschaft aus Menschen bestünde, würde ja jeder Friseur beim Haareschneiden ein Stück von der Gesellschaft wegschneiden. Das gefiel mir eigentlich ganz gut.

Ich will jetzt nicht jahrtausendelange Diskussionen über die Leib-Seele-Problematik auf wenige Zeilen runterbrechen, aber mir scheint eben genau die Trennung zwischen dem System "Bewusstsein" und dem System "Körper" mehr als schwierig. Und für mich taucht das Problem erst auf, wenn man auf dieser Trennung besteht.

Und Maturana und Varela haben doch in "Der Baum der Erkenntnis" und anderen Werken die Entwicklung der Selbstorganisation von Biomatsch, der Selbstorganisation von mehreren Biomatschen als Organismus und der Selbstorganisation von mehreren Organismen in eine kontinuierliche Reihe gestellt. Nach dem Motto: Organismen und Gesellschaften sind die exakt gleiche Klasse von Metasystemen.

Sven hat gesagt…

@Gerrit: Eine Trennung von Bewusstsein und Körper hat für mich die angenehme Funktion Kausalketten zu verneinen. Denkst Du an eine Punkt-für-Punkt Verbindung von Körper und Psyche?

Daniel Kofahl hat gesagt…

"Wenn die Gesellschaft aus Menschen bestünde, würde ja jeder Friseur beim Haareschneiden ein Stück von der Gesellschaft wegschneiden."

Famos!

Wie ich im nächsten Post schreibe, kann man den Körper wohl auch gar nicht als "ein System" beschreiben, sondern eher als "Komplex"...

"Körper und Psyche". so meine Einschätzung, muss man auch trennen - "Wahrnehmung" ist ja nicht mein "Blutkreislauf", ja nichmal mein "Gehirn".

Körper treten u.a. immer dann als Widerstände auf, wenn es zwischen Kommunikation und Wahrnehmung schwierig wird, etwa wenn "Hunger, Durst, Sexualität, Verdaununsvorgänge, Schweißausbrüche" als Störungen des Bewusstseinssystem bewusst werden und dann auch die Kommunikation gefährden ("ich muss mal aufs WC" & weg & aus...)...

Sven hat gesagt…

@Daniel: Was ist denn ein "Komplex"?

Sven hat gesagt…

Vielleicht ist einfacher, erst einmal zu schauen, wie Interpenetration hier funktioniert.... Wenn es ein wechselseitiges bereitstellen von Strukturen sein soll, die dann kommunikativ oder gedanklich nutzbar gemacht werden, dann ist Interpenetration das Ergebnis von Koevolution.

Aber wenn 'unser' Körper nun als (a) außerhalb der Gesellschaft, (b) außerhalb der Psyche und auch sonst als (c) kein Sinn-System definiert werden soll, definieren wir ihn doch lediglich kommunikativ. Auch Bewusstseine werden in der Gesellschaft definiert... aber zu ihnen haben wir wenigstens "Zugang" in Form von Selbst-Wahrnehmung.

Wenn etwas nur körperlich als "Spezialumwelt" da wäre, ist es nach "c" weder möglich (denn es ist weder aktuell noch potentiell), nach (a)Rauschen und nach (b)undenkbar, also... unbeobachtbar.

Den Körper nehmen wir ja nicht wahr, sondern nur unser bewusstes und kommunikatives Abbild davon.

Wir müssten um a und b stark zu halten c verwerfen. Zum basteln an der Theorie müsste mindestens ein Medium für diese Kopplungen erstellt werden. Und natürlich wäre auch eine Arbeitsdefinition von 'Körper'sehr hilfreich..


... wäre das dann noch Soziologie? Oder eine Systemtheoretische Fassung von Psychoanalyse nach Wilhelm Reich? *kopfschmerzt*

Unknown hat gesagt…

"Was ist denn ein "Komplex"?"

Ein Komplex ist das, was ich kriege, wenn mir durch die ganze Kommunikation hier, noch mehr Unwissen meinerseits auf den PsychoMonitor kommt ;)

Scherz beiseite: Ad hoc: Ein Komplex ist die strukturelle Kopplung zwischen heterogenen Ordnungen, die aber nicht die Voraussetzungen erfüllen, die Luhmann an den Systembegriff stellt (z.B. eine Form der Autopoiesis)

"nach (a)Rauschen und nach (b)undenkbar"

Rauschen finde ich gut ("Order from noise") und "b) undenkbar" versteh ich nicht. Ein Blutkreislauf ist kein Sinn-System und trotzdem denkbar... ?

Was wir beim Körper nicht ausblenden sollten, dass es den ihm subsumierten Systemen gelingt Entropie in Ordnung zu transformieren. Damit ist er schon mal keine ungeordnete, sondern eine geordnete Umwelt der Ges.

Ich finde die Frage "Was Interpenetration" bedeutet spannend und werde da anzuknüpfen versuchen - sobald ich Donnerstag aus dem Weimar-Urlaub zurück bin :) bis dahin heißt es ganz klassisch: es irrt der Mensch solang er strebt ;)

Unknown hat gesagt…

"dass es den IN ihm subsumierten Systemen" sry*

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